Skip to main content

Kapitel 4

Repressionen im Beruf

Eine ganze Anzahl der in Frankfurt verfolgten Zeugen Jehovas mussten Repressalien in Verbindung mit ihrer Berufstätigkeit hinnehmen. Besonders betroffen waren diejenigen, die im Öffentlichen Dienst beschäftigt waren. Aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurden oft Kündigungen ausgesprochen.

Adam Kaltwasser

Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Friedrich Meyer war sehr früh davon betroffen: Er wurde bereits am 22. September 1933 von der Reichspostverwaltung auf Grund dieses Gesetzes entlassen. Wegen der Verteilung einer Protestresolution gegen die Verfolgung der Zeugen Jehovas wurde er im März 1937 verhaftet und blieb in verschiedenen KZs bis April 1945. 

Adam Kaltwasser war seit Oktober 1913 bei der Straßenbahn der Stadt Frankfurt als Wagenreiniger, Wagenführer und Schaffner beschäftigt. Obwohl ihm bestätigt wurde, dass „seine dienstliche Führung und seine Leistungen […] gut" waren, kündigte man ihm zum 31. März 1935, weil er den Hitlergruß verweigerte und sich nicht an der Wahl am 18. August 1934 beteiligt hatte. Er kam schließlich am 19. April 1940 in Mauthausen ums Leben. 

Der Steinmetz Valentin Steinbach war als Postschaffner beim Postscheckamt beschäftigt und wurde wegen seines Glaubens am 30. September 1935 entlassen. Ein Jahr später wurde er verhaftet. Er kam in die KZs Lichtenburg, Buchenwald und Mauthausen. Im KZ Buchenwald arbeitete er mit anderen Gefangenen in einer Bildhauerwerkstatt. Im Oktober 1945 kam er aus dem KZ Mauthausen nach Frankfurt zurück. 

Valentin Steinbach mit seiner Ehefrau Luise und Tochter Else, Aufnahme 1919

Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Rosa Hägele

Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Auch Frauen waren von Entlassungen betroffen, wie zum Beispiel Rosa Hägele. Die Entlassung erfolgte, weil sie den „Bibelforschern" angehörte, die Hand nicht zum Hitlergruß erhob und auch das Handerheben beim Horst-Wessel-Lied verweigerte. Rosa Hägele berichtete: „Am 31.12.1936 wurde ich von der Firma J. Latscha […] aus Glaubensgründen entlassen. Infolgedessen durch ein Disziplinarverfahren aus der Arbeitsfront ausgeschlossen. Durch dieses war es mir nicht mehr möglich, bei irgendeiner Firma wieder in Arbeit zu kommen. Beim Arbeitsamt konnte ich mich nicht melden und bekam auch keine Unterstützung." Im Mai 1938 wurde sie verhaftet, nach zwei Monaten kam sie ins KZ Lichtenburg, danach ins KZ Ravensbrück. 

Ab Juli 1943 war sie bis Kriegsende in einem Außenlager, dem Gut Hartzwalde, untergebracht.

Gruppe von Häftlingen im KZ Hartzwalde, darunter Rosa Hägele.

Zeugen Jehovas auf dem Gut Hartzwalde

Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Martha Grässler, Chorsängerin an der Oper Frankfurt, war bereits im Ruhestand. Sie war im Mai 1937 vom Sondergericht Frankfurt zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil sie sich weiter als Zeugin Jehovas betätigte. Nach dem Gefängnis kam sie in Schutzhaft in den KZs Lichtenburg und Ravensbrück. Drei Monate wurde die Haft wegen Haftunfähigkeit unterbrochen. Im Dezember 1938 fragte der Oberbürgermeister Krebs beim Deutschen Gemeindetag an, ob die Versorgungsbezüge bzw. der Zuschuss der Stadt an eine der Frankfurter Theater-Pensionsanstalten für Martha Grässler gewährt werden sollte. Es entstand Rechtsunsicherheit, weil „in den Verträgen […] Bestimmungen nicht enthalten [sind,] wonach im Falle staatsfeindlicher Betätigung der Ruhestandsemfpänger eine Entziehung oder ein Ruhen der Zuschüsse einzutreten hat“.

Die Opernsängerin Martha Grässler (Mitte mit Blumen)

Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Der Opernmusiker Willy Hild litt ebenfalls unter Repressalien am Arbeitsplatz. Seit dem 16. August 1924 war er im Opernhausorchester der Stadt Frankfurt am Main beschäftigt. Unter 100 Bewerbern um die Stelle als zweiter Violinist war er ausgewählt worden. Am 25. Mai 1938 wurde er gemeinsam mit seiner Ehefrau Frieda wegen „illegale[r] Betätigung in der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung“ verhaftet. Im Juli 1938 fragten die Städtischen Bühnen bei der Geheime Staatspolizei nach, ob Hild wegen „staatsfeindlicher Handlungen“ verhaftet worden und deshalb seine Entlassung geboten sei. Die Gestapo teilte Oberbürgermeister Krebs am 4. August 1938 mit, dass sie Willy Hild am 25. Mai 1938 in Schutzhaft genommen habe und er sich nunmehr im KZ Buchenwald befände. Nachdem er dort einige Zeit im Steinbruch arbeiten musste, wurde er für die Lagerkapelle Buchenwald als Musiker eingeteilt. Er transponierte und zeichnete dort nicht nur Noten, sondern spielte auch ein Bandoneon.

Das Bandoneon von Willy Hild

Foto: Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Andreas Lange

Das KZ Buchenwald wurde am 11. April 1945 befreit. Zum 1. Juni 1945 wurde Willy Hild mit vollen Dienstbezügen bei der Oper wiedereingestellt. Er ging am 1. September 1946 in den Ruhestand. Die lange Haft hatte sich tragisch auf sein Leben ausgewirkt, denn ihm wurde bescheinigt: „Herr Hild wurde vorzeitig zur Ruhe gesetzt, denn sein 7-jähriger Aufenthalt im KZ hat sich ohne Zweifel auf seine künstlerischen Fähigkeiten ausgewirkt.“ Er starb am 23. September 1977 in Bessenbach.

Ebenfalls erwähnenswert sind die Zeugen Jehovas, die als Zwangsarbeiter nach Frankfurt am Main kamen.

Daniël Hamerslag war ein Koch, der seit Anfang 1941 Zeuge Jehovas in den Niederlanden war. Er war als Fremdarbeiter (d. h. ausländischer Zwangsarbeiter) zum Arbeitsdienst in Frankfurt verpflichtet. Hauptsächlich musste er im Autobahnbau arbeiten. Nach seiner Festnahme in Frankfurt wegen seiner „illegalen Bibelforschertätigkeit“ wurde er vom Volksgerichtshof wegen Wehrkraftzersetzung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. 

Daniël Hamerslag, ca. 1953

Foto: Privatbesitz
Cornelis van der Raaf (4. von rechts) mit anderen Arbeitern an der Oper Frankfurt
Foto: Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Cornelis Johannes van der Raaf, ebenfalls seit 1941 Zeuge Jehovas in den Niederlanden, wurde zum Arbeitsdienst nach Deutschland verpflichtet. Mit einer Gruppe Fremdarbeiter kam er nach Köln. Wegen eines Bombenangriffs herrschte gerade Chaos. So gelang es ihm, sich von der Gruppe abzusetzen und nach Frankfurt zu seinem Schwager Daniël Hamerslag zu fahren. Mit Hilfe des Schwagers gelang es ihm, einen Arbeitsplatz zu finden, der nichts mit der Rüstungsindustrie zu tun hatte – als Bühnenarbeiter (Kulissenschieber) an der Frankfurter Oper. Sein Schlafplatz war gegenüber im Kulissenhaus der Oper. Wegen seiner Kontakte zu anderen Zeugen Jehovas in Frankfurt wurde er am 23. November 1943 an seinem Arbeitsplatz in der Oper verhaftet. In Berlin wurde er vor den Volksgerichtshof gestellt und im August 1944 freigesprochen. Im Januar 1945 wurde freigelassen, mit der Auflage, nach München zu fahren und sich dort bei der Gestapo zu melden. Erst nachdem er Arbeit und Unterkunft bei einem Metzger gefunden hatte, meldete er sich – wie befohlen – bei den Behörden. Im Mai 1945 kehrte er nach Rotterdam zurück.

Izakök Heeren, ein Zeuge Jehovas aus Rotterdam, war als Fremdarbeiter bei der Firma Messer. Die Polizei brachte ihn ins Arbeitserziehungslager nach Heddernheim.